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Schneider Wibbel

Ich weiß nicht wie oft ich als Kind unter dieser Uhr gewartet habe, dass die Klappen sich öffneten und diese faszinierende und angsteinflößende Figur erscheint.  (Foto: Sippel2707, Schneider Wibbel-Gasse (Düsseldorf) (1), CC BY-SA 3.0)
Ich weiß nicht wie oft ich als Kind unter dieser Uhr gewartet habe, dass die Klappen sich öffneten und diese faszinierende und angsteinflößende Figur erscheint. (Foto: Sippel2707, Schneider Wibbel-Gasse (Düsseldorf) (1), CC BY-SA 3.0)

Dieser Tage kaufte ich in meiner Apotheke Haarpflege für 27 Euro ungrad. Ich habe glaube noch nie soviel Geld für Kosmetik ausgegeben. Nun ja, als Schwuler will man halt eine „schöne Leich" abgeben, aber von vorne 😉:

Meine erste Heimatstadt Düsseldorf hatte einen Heimatdichter Hans Müller-Schlösser, der die Geschichte des Schneiders Wibbel aufgeschrieben hat. Es war zu der Zeit, als Düsseldorf unter napoleonischer Besatzung war und dieser Schneider hatte wohl ein loses Mundwerk und Dinge gesagt, die den Besatzern nicht gefielen, so wurde er wegen Majestätsbeleidigung zu einigen Tagen Haft verurteilt. Da er jedoch sich arbeitsmäßig für unabkömmlich hielt und außerdem keine Lust auf Knast hatte – wer hätt die schon? – schickte er seinen Gesellen, der sich als Schneider Wibbel ausgab.

 

 

Wie es das Schicksal wollte, war der Geselle nicht ganz gesund, vielleicht hatte er schon Corona und er verstarb in der Haft, so war also offiziell der stadtbekannte Schneider Wibbel verstorben. Sollte der Schwindel nicht auffallen, musste sich der Schneider verstecken und so verrichtete er seine Schneiderarbeiten in einem Kämmerchen und wurde von seiner Frau versorgt. Als dann der Leichenzug mit dem wohl offenen Sarg unter seinem Fenster vorbeizog entfuhr ihm der der oft zitierte Satz: „Nä, watt bin ich für ’ne schöne Leich“. Der amtlich als tot geltende Schneider kehrt als sein eigener Zwillingsbruder zurück. Wenn ich Euch also nach meinem Ableben wieder erscheine … 😁

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Kommentare: 1
  • #1

    Eva Gawlik (Dienstag, 18 Januar 2022 16:25)

    Lieber Andreas!
    Kennst Du das jiddische Partisanenlied aus dem 2. Weltkrieg von Hirsch Glik?
    Zog nisht kéynmol, az du geyst dem letstn veg, / hímlen bláyene farshtéln bloye teg. / Kúmen vet nokh únzer óysgebenkte sho, / s'vet a poyk ton únzer trot: mir záynen do!
    Sag niemals, dass du den letzten Weg gehst, / wenn bleierne Himmel die blauen Tage verdecken. / Unsere lang ersehnte Stunde wird noch kommen, / unser Tritt wird dröhnen: Wir sind da! (Vollständigen Text siehe Wikipedia).
    Wenn ich die Beiträge auf Deinem Blog lese, bin ich sehr ergriffen und sehr beeindruckt, wie Du mit Deiner Krankheitsgeschichte und Deinem "letzten Weg" umgehst. Keine Spur von Verbitterung! Keine Reue (warum auch?), dagegen viel Dankbarkeit und Demut. Ich mit fast 65 Jahren finde das sehr, sehr mutig und großartig. Es kann uns ja alle bald oder nicht so bald "erwischen", aber wie wir der "Nachwelt" in Erinnerung bleiben, dafür können wir wie der Schneider Wibbel etwas tun. Etwas Sinnvolles, etwas für die Zukunft Mut schenkendes, wie das der Partisan Hirsch Glik gedichtet hat. Mit Deinem Blog gibst Du ganz viel Zuversicht. Danke!
    Liebe Grüße - unbekannterweise - von
    Eva Gawlik