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Erfolg

Eine Motivation, den Blog zu starten war, Mitmenschen, denen ich mal begegnet bin, Gelegenheit zur Information und zum Abschied zu geben. Ich weiß nicht wie es Euch geht, ich erinnere mich oft an andere Mitmenschen zu denen ich keinen Kontakt mehr habe und frage mich, was sie wohl machen oder auch ob sie noch leben, denn in dem Alter bin ich ja schon, wo manche von Freund Hein geholt werden. „Die Einschläge kommen immer näher" hieß es da in der Generation der Kriegskinder. Jedenfalls war es da Zufall, wenn man vom Ableben eines Bekannten erfuhr.

 

Erich

2014 lernte ich zum Beispiel Erich (Name geändert) kennen, der mir über Gayromeo schrieb, wo er einen Kommentar von mir in einer Gruppe von Schwerkranken las. Er selber hatte progressiven Muskelschwund. Ein Jahr haben wir uns jede Woche gesehen. Es war auf meinen Wunsch hin eine platonische Beziehung. Das zweite Jahr nahmen die gegenseitigen Besuche ab, u.a. weil ihm die Autofahrt von der Schweiz zu mir zunehmend Mühe bereitete. Dann wandte er sich ganz von mir ab, weil er einen Mann aus dem Elsass gefunden hatte, mit dem er auch Sex haben konnte.

 

Das machte mich zunächst ärgerlich, doch nach einigem Nachdenken konnte ich das verstehen, weil Sex doch die intensivste Erfahrung von Lebendigkeit ist, und wenn man den Tod vor Augen hat und die Lust groß ist, kann das wichtiger sein als ein Gedankenaustausch. Immer wieder dachte ich an ihn und am 28. Februar letzten Jahres, dem Tag der seltenen Krankheiten (eigentlich der 29. Februar) so intensiv, dass ich dachte ich muss da mal nachforschen. Schließlich erfuhr ich von einem Freund seines Partners, dass er wohl auch durch sein Rauchen zunehmend Beschwerden hatte, so dass er nicht mehr weiterleben wollte und schon im Juni 2019 verstorben war.

 

So haben durch meinen Blog, dessen Link ich auch über viele Mails verbreite, viele meiner Freunde und Bekannten Gelegenheit sich zu informieren und von mir zu verabschieden. So schrieb eine Bekannte, der ich vor dem Suizid1 eine gemeinsamen Freundes mehr Kontakt hatte: „Schön, dass ich von dir nochmal VOR deinem eigenen Tod höre ;-) ... und dazu noch über so einen schönen farbenfrohen blog :-)“ Sie konnte also genauso offen mir begegnen. Aber ich verstehe auch, wenn welche unsicher oder ablehnend auf diesen Blog reagieren – oder eben gar nicht.

 

 

1 Seit vielen Jahren plädiere ich dafür, den Begriff „Selbstmord“ aus dem Wortschatz zu streichen, denn er ist negativ bewertet oder konnotiert. Ein besserer und wertfreier Begriff wäre „Suizid“ oder „Selbsttötung“. „Freitod“ klingt zwar gut, ist aber ein Euphemismus, da die meisten, die den Suizid wählen, nicht frei sind sondern oft durch Depressionen oder andere psychischen Krankheiten dazu getrieben werden.   

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Kommentare: 3
  • #1

    Flo (Sonntag, 16 Januar 2022 11:57)

    Nicht nur du plädierst dafür, wie ich vor einigen Monaten in der Wikipedia erfahren habe:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Benennung

  • #2

    Maria (Dienstag, 18 Januar 2022 08:27)

    "Selbstmord und seelische Wandlung" von James Hillmann
    ....er kommt dabei zu der Feststellung, dass der Todesimpuls als eine bestimmte Art der Erfahrung angesehen werden muss, die - so paradox das klingen mag - eine Lebensnotwendigkeit für die menschliche Seele ist, die nur auf dem Weg dieser Erfahrung zu der inneren Wandlung gelangen kann, auf die sie hin angelegt ist.

  • #3

    Andreas (Dienstag, 18 Januar 2022 08:41)

    Wenn ich Dich richtig verstehe, liebe Maria, beziehst Du bzw. der Autor sich bei „Todesimpuls" auf das Gedankenspiel, das jeder Mensch einmal mehr oder weniger ernsthaft in seinem Leben mit dem Gedanken an einen Suizid spielt.